Geschirr oder Halsband

Halsband oder Hundegeschirr – ist das wirklich die Frage?

Wenn man an einem trüben Sonntagmorgen Langeweile verspürt, sollte man einfach mal in einem beliebigen Hundeforum die Frage stellen: „Wo bekomme ich einen guten Kettenwürger für meinen Hund her?“. Schon nach wenigen Minuten wird der Beitrag große Aufmerksamkeit und rege Beteiligung erfahren – garantiert!

Auf der einen Seite haben wir die Verfechter von „alles außer Geschirr ist tierschutzrelevant“, auf der anderen Seite die „meine Hunde haben seit 40 Jahren nichts als Halsbänder getragen.“

Vermutlich ist es wie so oft im Leben: Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg. Doch schauen wir uns das mal im Detail an:

Welche Eigenschaften haben die einzelnen Optionen, welche Einsatzgebiete, Vor- und Nachteile?

Die Notwendigkeit, Hunde irgendwie ganz physisch an den Menschen zu binden, scheint so alt zu sein wie die Domestikation des Canis Lupus Familiaris selbst. Auf 8000 Jahre alten Felsbildern aus dem Nordwesten Saudi-Arabiens finden wir die ersten Darstellungen „angeleinter“ Hunde. Aber woran mögen diese Leinen wohl befestigt gewesen sein?

Das Halsband

hundeleinen im alten ägypten

Fangen wir mit dem Halsband an. Das Halsband ist ein wahrer Klassiker, und ziert sowohl die Tesem-Hunde des Pharaos auf über viertausend Jahre alten Abbildungen, als auch den bekannten Wachhund auf dem pompejanischen „Cave Canem“-Mosaik.

Egal, aus welcher Kunstepoche wir uns Hundeabbildungen ansehen – wenn die Hunde etwas „anhaben“, ist es ein Halsband. Und nicht unbedingt nur einen schnöden Riemen, sondern oft genug auch sorgfältig angefertigte Einzelstücke mit einem bestimmten Zusatznutzen. Einige wahrhaft eindrucksvolle Exemplare findet man im „Dog Collar Museum“ in Leeds Castle. Dort kann man gut sehen, dass Halsbänder außer zum Sichern der Hunde auch zu deren Schutz dienten (stachelbewehrte Halsbänder für Herdenschutzhunde), zu ihrer Identifikation (durch Aufbringung der Hundenamens und / oder von Initialen und Wappen ihres Eigentümers) oder einfach auch ihren Haltern zum Angeben durch eine reiche Verzierung.

Was fast 10000 Jahre Gang und Gäbe war, soll heute auf einmal falsch sein? Sehen wir uns die grundlegenden Eigenschaften eines Halsbandes an: Halsbänder gibt es heute in vielen verschiedenen Materialien und schier unendlichen Designs. Grundlegend kann man zwei Arten von Halsbändern unterscheiden: Modelle zum Umschnallen, und Modelle zum Über-den-Kopf-Streifen.

schnallenhalsband

Schnallenhalsbänder für Hunde

Fangen wir mit den klassischen Schnallenhalsbändern an: Diese werden um den Hals des Hundes gelegt und mittels einer Schnalle oder einem Steckverschluss geschlossen. Solch ein Halsband liegt dann richtig an, wenn ein Finger gut zwischen Hundehals und Band passt. Bei den meisten Hunden sitzen Halsbänder am besten ungefähr auf der Mitte des Halses. Dort ist der Hals kräftig bemuskelt, und die Speise- und Luftröhre sind gut in dicke Muskelstränge „eingepackt“. Der Hals wird in Richtung Rücken breiter, also kann das Halsband nur nach oben rutschen. Dort sitzt bei den meisten Hunden ein Kopf, der einen größeren Umfang hat als der Hals, so dass der Hund nicht aus dem Halsband schlüpfen kann.

Vorsicht geboten ist jedoch bei Hunderassen mit besonders schmalen Köpfen wie Windhunden oder Podencos. Hier müsste für einen sicheren Sitz die Einstellungen so gewählt werden, dass das Halsband direkt am Übergang zwischen Kopf und Hals eng anliegt. Dies ist aber nicht wirklich komfortabel für den Hunde, da in zwischen Unterkiefer und Halsanfang auch der Kehlkopf des Hundes liegt.

Für solche Hunde besser geeignet sind Halsbändern mit begrenztem Zug. Solche Modelle gibt es einerseits als „Zugstopp-Halsbänder“, andererseits als sogenannte „Martingale-Halsbänder“.

halsband mit begrenztem zug

Halsbänder mit begrenztem Zug

Erstere haben die Form einer Schlinge, deren eines Ende durch einen Ring geführt wird und ein Stück weit beweglich ist, letztere einen statischen „Hauptteil“, der in zwei Ringen endet und ein zweites Verbindungsstück, welches je nach einwirkendem Zug den Umfang des Halsbandes verändert. Diese Halsbänder sind für den Hund recht komfortabel, zumal sie meistens verhältnismäßig breit und oft auch gut gepolstert angeboten werden. Außerdem sitzen sie dann korrekt, wenn sie in „entspanntem“ Zustand mittig am Hals des Hundes anliegen, bei Zug jedoch nicht mehr über die Ohren abgestreift werden können.

Halsbänder für Hunde mit langen Haaren

Halsbänder dieses Typs sind auch gut geeignet für langhaarige Hunde, weil sie das üppige Fell am Hals weniger beeinträchtigen. Zugstopp-Halsbänder sollten möglichst passgenau gekauft werden, damit sie den Hund weder würgen, noch ständig verloren gehen. Deshalb empfiehlt es sich, mit dem Kauf eines solchen Modells zu warten, bis der Hund ausgewachsen ist. Welpen haben meist im Verhältnis zum Halsdurchmesser noch etwas dickere Köpfe und sind in den ersten Monaten mit einem mitwachsenden Steck- oder Schnallenhalsband besser bedient.

Zugstopp Halsband

Stärken und Schwächen von Halsbändern

Ein an einem gut passenden Halsband angeleinter Hund ist wirkungsvoll gegen das Fortlaufen gesichert. Sie stören kaum, so dass das Halsband auch in Ruhesituationen oder beim Freilauf am Hund verbleiben kann. Man kann die Kontaktinformationen des Halters oder gleich einen GPS-Tracker daran befestigen für den Fall, dass der Hund einmal abhandenkommt. Auch die in vielen Gemeinden geforderte Steuermarke kann am Halsband angebracht werden. Der Ansatzpunkt der Befestigung sitzt mit dem Halsband VOR der Körpermitte, so dass der Hund dem Leinenzug hier weniger Kraft entgegensetzen kann. Somit lässt sich ein am Halsband geführter Hund in der Regel mit weniger Kraftaufwand lenken als einer, der ein Geschirr trägt.

Diese Mechanik ist aber auch gleichzeitig der Schwachpunkt eines Halsbandes: Bei besonders stürmischen (und unerzogenen) Hunden oder ungeschickten (oder rustikalen) Haltern kann es im schlimmsten Fall zu schmerzhaften Einwirkungen im Halsbereich kommen. Dazu muss nicht zwangsläufig der antiquierte „Leinenruck“ als Erziehungsmittel eingesetzt werden, es reicht auch aus, wenn der Hund an eine Roll-Leine durchstartet und mit Anlauf ins Halsband springt. Deshalb ist für das Führen an solchen Leinen, aber auch beim Schleppleinentraining ein Halsband nicht empfehlenswert.

Halsband und Grüner Star

Noch ein Wort zu einer Studie, die im Jahr 2006 mit 26 Zughunden, die für Schlittenhund- oder Gewichtszieh-Wettbewerbe trainiert wurden1. Hier fand man heraus, dass sich der Augeninnendruck erhöht, wenn die vierbeinigen Probanden kräftig am Halsband ziehen, jedoch nicht unter Zugbelastung im Geschirr. Da es sich bei den untersuchten Tieren allesamt um trainierte Zughunde handelte, ist davon auszugehen, dass die von ihnen aufgebrachten Kräfte möglicherweise höher waren, als die, die ein durchschnittlich beanspruchter Familienhund aufbringen würde. Nichtsdestotrotz war eine Schlussfolgerung der Studie, dass Hunde mit erhöhtem Risiko für einen Grünen Star (Glaukom) besser an einem Geschirr geführt werden sollten.

„Erziehungshalsbänder“?!

Es wäre ja zu schön, um wahr zu sein: Nicht der Halter, sondern das Halsband kümmert sich um die Erziehung des Hundes. Zum Beispiel zur Leinenführigkeit.Würgehalsband Gibt man den Begriff in einer Internet-Suchmaschine ein, werden einem sehr unterschiedliche Produkte angeboten: Vom Würgehalsband ohne Zugbegrenzung über Spezialkonstruktionen, die ganz oben am Hundehals angebracht werden, um Druck auf den empfindlichen Kehlkopf auszuüben, bis zu martialisch anmutenden Stachelhalsbändern (mit innen getragenen Stacheln!) oder Modellen, die Sprays, Töne oder gar Stromstöße produzieren.

Davon sollten Sie selbstverständlich die Finger lassen – und Ihrem Hund eine ordentliche Erziehung nach aktuellen Erkenntnissen der Verhaltensforschung angedeihen lassen.

Das Geschirr

Hundegeschirr um 1915 Während das Halsband den Haushund also möglicherweise schon seit Beginn der Domestikation begleitet, gibt es so gut wie keine antiken Darstellungen mit Hunden, die ein Geschirr tragen. Geschirre wurden eigentlich stets nur zweckgebunden verwendet, nämlich wenn der Hund damit ein Gefährt ziehen, einen Menschen führen oder eine Last tragen sollte. Beispiele dafür die sind Schlittenhunde des Nordens, die „Karrenhunde“ Mitteleuropas oder aber die „Meldehunde“ im 1. Weltkrieg und die Blindenführhunde zur selben Zeit.

Geschirre als „Alltagsführhilfe“ bzw. als „Schmuck“ kamen erst Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode. Diese wurden gerne mit Nieten oder Glöckchen verziert und wurden vor allem kurzhaarigen, kräftigen Hunde wie Möpsen, Französischen Bulldoggen und Pit Bull Terriern angezogen.

Auch während des überwiegenden Teils des 20. Jahrhunderts waren Geschirre überwiegend für bestimmte Einsatzzwecke oder auch Hunderassen vorgesehen: Verschiedene neue Hundesportarten wie Fährtenarbeit, IGP, CaniCross, Bike-Jöring etc. brachten eigene Geschirr-Modelle hervor. Die in den 80er Jahren populären ChowChows waren ohne ihre speziellen Geschirre aus rundgenähtem Leder, das die üppige Halskrause schonen sollten, gar nicht im Straßenbild denkbar.

Erst mit Verbreitung neuer Materialien wie Gurt- oder Schlauchband wurde das Geschirr auch mehr und mehr zum Accessoire für den „OttoNormalHund“. Und mit Einzug einer hundefreundlicheren Erziehung statt eines strengen „Abrichtens“ wurde das Geschirr alsbald zum Symbol der „tierschutzgerechten Hundehaltung“.

Doch ist diese positive Vorverurteilung gerechtfertigt? Sehen wir uns verschiedene Geschirr-Typen und ihre Eigenschaften an.


Das Führgeschirr

Führgeschirr

Das klassische Führgeschirr sieht von oben gesehen aus wie ein querliegendes „H“. Vom Rückensteg aus führen die vorderen Gurte links und rechts am Hals vorbei und vereinen sich auf der Brust des Hundes, von wo aus der Bauchsteg durch die Vorderbeine nach hinten führt. Der hintere Gurt entspringt wiederum am Rückensteg, führt an beiden Seiten des Brustkorbs entlang nach unten durch das hintere Ende des Bauchstegs. Die Leine wird an einem Ring am Ende der Rückenstegs befestigt.

Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten des Führgeschirrs

Diese Geschirre gibt es aus Leder, Biothane oder Gurtband, ungepolstert oder komfortabel mit Neopren, Filz oder Fleece ausgeschlagen. Stimmen Größe und Passform, ist diese Geschirrform für eine Vielzahl von Aktivitäten gut geeignet. So kann man sie zum täglichen Spaziergang nutzen und – da dieser Geschirre eng anliegen – auch beim Freilauf am Hund belassen.

Auf gemeinsamen Wanderungen bietet der Rückensteg einen stabilen Griff, wenn man dem Hund kurz hochheben oder sichern muss. Auch für Aktivitäten, wo der Hund sich ordentlich ins Zeug legen darf (z.B. Fährtenarbeit oder Schutzdienst), sind diese Geschirre gut geeignet – sogar für leichte Zugarbeit am Fahrrad kann man die gepolsterten Varianten bisweilen einsetzen.

Stärken und Schwächen des Führgeschirs

Die Stärke dieses Modells ist gleichzeitig auch seine Schwäche: In einem gutsitzenden Führgeschirr kann der Hund viel Kraft aufbringen, ohne dass er außer Atem kommt, und die Befestigung der Leine in der Körpermitte sorgt für eine sehr gute Kraftübertragung in der Vorwärtsbewegung. Daher ist der Name „Führgeschirr“ hier etwas irreführend – oder man könnte sich auch fragen, wer wen führt?

Denn wenngleich es offensichtlich Vorteile für den nicht-leinenführigen Hunde hat, wenn er ein Geschirr anstelle eines Halsbandes angezogen bekommt, sind diese Vorteile für den Hundehalter weniger ausgeprägt. Ein unerzogener Hund im Führgeschirr erfordert auf alle Fälle mehr Standfestigkeit des Menschen als ein unerzogener Hund an Halsband oder gar Halti.

Worauf ist beim Kauf eines Führgeschirrs zu achten?

Idealerweise lässt man ein solches Geschirr für den jeweiligen Hund maßanfertigen. So kann man sichergehen, dass es einwandfrei sitzt, nicht scheuert und keine überflüssigen Gurte oder Verschlüsse aufweist. Ist dies keine Option (z.B. weil der Hund noch wächst), sollte man ein Modell wählen, welches sich durch variable Gurtlänge an den entsprechenden Stellen möglichst genau einstellen lässt.

Wichtig für die Passform ist zum einen die Position der „Brustplatte“ (oder der Stelle, wo die Halsgurte ypsilonförmig in den Brust-Bauchsteg übergehen – sie sollte idealerweise auf Höhe der Brustbeinspitze liegen. An dieser Stelle sollten sich möglichst keine Nähte, Ösen o.ä. befinden, idealerweise ist die Auflagefläche zusätzlich gepolstert. Die Halsgurte sollten eng am Hals anliegen, und nicht quer über, sondern oberhalb der Schulterblätter verlaufen. Nur so hat der Hund genügend Bewegungsfreiheit und kann im Schultergelenk frei ausgreifen.

Zu beachten ist zudem, dass der Rumpfgurt mit genügend Abstand hinter den Ellenbogen verlaufen. Diese Gurte sollte also nicht etwa „unter den Achseln kneifen“, sondern je nach Größe des Hundes so weit hinten sitzen, dass der Ellenbogen in der Bewegung nicht an diesen entlang reibt.

Die Polsterung des Führgeschirrs

Noch ein Wort zur Polsterung: Eine durchdachte Polsterung der Gurte an den Stellen, wo das Geschirr am Körper aufliegt, ist durchaus sinnvoll. Für Hunde, die gerne schwimmen (und dies auch im Geschirr tun sollen), ist schnell trocknendes Neopren als Futterstoff zu empfehlen. Für Hunde, die das Geschirr überwiegend in trockenem Zustand tragen sollen, ist Fleecestoff eine besonders komfortable Alternative.

Zu beachten ist jedoch, dass je aufwändiger die Polsterung ist, dass Geschirr umso schwerer und „sperriger“ wird. Und ausgeprägter Rücken- oder Brustplatten durchaus auch die Thermoregulation des vierbeinigen Trägers beeinträchtigen kann. Daher überlegen Sie es sich gut, ob Ihr Hund für den Gassigang im Stadtpark tatsächlich ein Geschirr benötigt, mit dem man ihn notfalls auch aus einem Hubschrauber abseilen könnte – oder ob es auch eine etwas leichtere Variante tut.

Sonderformen des Führgeschirrs

Kreuzgeschirr

Das Kreuzgeschirr ist im Prinzip gleich wie das normale Führgeschirr aufgebaut, allerdings münden hier die beiden Brustgurte nicht in einen einzigen Bruststeg, sondern überkreuzen sich über dem Brustbein des Hundes und führen leicht seitlich an der Unterbrust entlang in den Rumpfgurt. Diese Form ist besonders gut geeignet für Hunde mit sehr tiefen und schmalen Brustkörben (z.B. Windhunde, Podencos), bei denen ein einzelner Bruststeg oft verrutscht.

Sicherheitsgeschirr

Sicherheitsgeschirr

Eine Weiterentwicklung des normalen Führgeschirrs ist das sogenannte „Sicherheitsgeschirr“. Dieses weist einen zusätzlichen Bauchgurt auf, der hinter dem tiefsten Punkt des Brustkorbs verläuft. Das macht es dem vierbeinigen Träger schwer bis unmöglich, sich rückwärts aus dem Geschirr zu winden. Für Sicherheitsgeschirre gelten ansonsten die gleichen Hinweise zu Passform und Material wie für normale Führgeschirre.

Sinnvoll ist diese Geschirrform für besonders ängstliche Hunde und Hunde aus zweiter Hand, die sich erst in ihr neues Leben einfinden müssen. Besonders zuverlässig gesichert sind diese Hunde dann, wenn außer dem Sicherheitsgeschirr auch ein gutsitzendes Halsband angelegt und die Doppelleine mit beidem verbunden wird.

„Soft-Geschirr“

Softgeschirr

Diese Variante besteht nicht aus Gurtband oder (Kunst)-Leder, sondern aus Stoff oder Mesh-Gewebe und gleicht eher einer Weste als einem klassischen Geschirr. Aufgrund ihres anschmiegsamen Materials sind sie besonders für Welpen oder Kleinhunde beliebt. Allerdings hat dieses „Mehr an Material“ auch zwei Nachteile: Einerseits bleibt die Bewegungsfreiheit in der Schultergliedmaße oft auf der Strecke, weil die Halsgurte zu breit sind und so auch quer über das Schulterblatt verlaufen. Andererseits sorgt es nicht gerade für eine günstige Belüftungssituation am Brustkorb. Daher ist es für langhaarige Hunde und Hunde, die gerne schwimmen gehen, nur bedingt geeignet.

Zusätzlich neigt das Material bei manchen Modellen zum „Ausleiern“, daher ist diese Version für kräftige Hunde oder welche, die besonders gut gesichert werden müssen, auch weniger empfehlenswert.

Das Step-In-Geschirr

Step in Geschirr

Die Modelle ähneln von der Grundform dem Führgeschirr: Ein Brustgurt und ein Rumpfgurt, jeweils verbunden mit einem Rücken- und einem Bruststeg – wobei letzterer bei manchen Modellen auch fehlt. Bei der „Step-In“-Variante befindet sich allerdings der Verschluss oben am Rückensteg. Daher muss man dieses Geschirr dem Hund zum Anziehen nicht über den Kopf streifen, sondern kann es einfach – nachdem er mit den Vorderpfoten in die jeweiligen Öffnungen gestiegen ist – hochziehen und am Rücken verschließen.

Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten Step-In-Geschirr

Diese Geschirre werden in der Regel als „Alltagsgeschirre“ für den normalen Spaziergang genutzt. Manchmal auch zur Sicherung beim Warm- der Ablaufen im Hundesport, wo ein schnelles An- und Ablegen des Geschirrs wichtig ist.

Stärken und Schwächen des Step-In-Geschirrs

Das einfache An- und Ausziehen des Geschirrs ist gewiss ein großer Pluspunkt. Manche Hunde mögen es nicht, wenn man ihnen etwas über den Kopf streift oder an ihrem Körper herum manipuliert. Deshalb ist auch bei ängstlichen Hunden ein rasches Anlegen des Geschirrs ein Pluspunkt.

Leider weist diese Geschirrform jedoch häufig eine unzureichende Passform auf. Der Verschluss am Rücken bringt es mit sich, dass diese Modelle kaum Verstellmöglichkeiten aufweisen. Oft verlaufen die Brustgurte zu tief und hemmen so das freie Ausgreifen der Vordergliedmaße, und die Rumpfgurte sitzen zu nahe am Ellenbogen. Insbesondere bei den Varianten ohne Bruststeg rutschen die Halsgurte auch je nach Zugbelastung zwischen Hals und Brust des Hundes hin und her, zudem sind dieses Modell auch nur begrenzt ausbruchssicher.

Das Norweger- oder Sattelgeschirr

NorwegergeschirrSattelgeschirr

Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine klassische Geschirr-Variante, die in den letzten Jahren in der Version als Sattelgeschirr neuen Aufwind erhalten hat. Dieses Geschirr-Modell besteht nur aus einem Brustgurt, der quer über die Brust verläuft und einem Rumpfgurt, der hinter den Vorderbeinen einmal um den Brustkorb führt und seitlich verschlossen wird. Beim Norwegergeschirr verläuft typischerweise ein dritter Gurt vom Brustgurt zum Rumpfgurt und bildet am Rücken des Hundes eine Schlaufe, an der die Leine befestigt werden kann.

Beim Sattelgeschirr finden wir diesen dritten Gurt nicht, dafür ist die Verbindung zwischen Brustgurt und Rumpfgurt in Form einer breiteren „Rückenplatte“ oder eines Sattels angelegt. Auf diesem Sattel befindet sich oben der Ring zur Befestigung der Leine, und es können mit Klettband Reflektorstreifen oder Beschriftungen angebracht werden. Zusätzlich ist hier oft auch noch ein Handgriff zu finden, mit dem man den Hund schnell packen und sichern kann.

Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten des Sattelgeschirrs

Diese Geschirre lassen sich aufgrund der weiten Halsöffnung sehr leicht an- und ausziehen. Sie werden in der Regel für normale Spaziergänge verwendet. Durch die auswechselbaren Klett-Aufschriften haben sich die Sattelgeschirre vermehrt zum modischen Hunde-Accessoire gemausert.

Das Sattelgeschirr wird traditionell immer noch für Blindenführhunde verwendet, die bei ihrer Arbeit vorwiegend im Schritttempo nachgehen und einen leichten, aber stetigen Zug auf die Führstangen ausüben sollen.

Stärken und Schwächen des Sattelgeschirrs

Das rasche An- und Ablegen, ohne die Beine des Hundes bewegen zu müssen, ist ein praktischer Aspekt. Die Handgriffe auf dem Rücken der Hunde sind günstig, wenn man den Hund schnell körpernah zu fassen bekommen oder ihn unterstützen möchte. Für viele Hundehalter ist auch die Möglichkeit, diese Geschirre durch bestimmte Aufschriften zu individualisieren, attraktiv.

Ein ganz großer Schwachpunkt liegt jedoch in der Konstruktion dieser Geschirrform: Der Brustgurt verläuft quer über das Schulterblatt und hemmt damit das Ausgreifen der Vordergliedmaße.

Wie das Team um Prof. Dr. Martin Fischer in der aufsehenerregenden Studie2 über den Bewegungsablauf von Hunden nachweisen konnte, ist der Drehpunkt der Vorderbeine das Schulterblatt, das nur über die Muskulatur mit dem Skelett verbunden ist. Das eigentliche Schultergelenk bleibt bei der Fortbewegung der Hunde dagegen nahezu unbeweglich.

Je nachdem, wie stramm der Riemen sitzt, der quer über das Schulterblatt verläuft, wird entweder die Bewegung tatsächlich mechanisch begrenzt – oder aber der Hund zumindest in seinem Bewegungsablauf irritiert. Die Leserinnen unter Ihnen können sich das Gefühl ähnlich vorstellen wie bei einem permanent über die Schulter gerutschten Träger eines BHs oder Kleides. Daher kann diese Geschirrform eigentlich nicht für irgendeine dauerhafte Verwendung empfohlen werden. Selbst bei den Blindenführhunden hat inzwischen ein Umdenken eingesetzt, und es wurde neue Modelle entwickelt, die eher auf der Form eines Führgeschirrs beruhen und dem Hund mehr Bewegungsfreiheit zugestehen. Ein weiterer Schwachpunkt dieser Geschirr-Modelle ist die geringe Ausbruchssicherheit sowie die mangelhafte Kontrolle des Hundes insbesondere bei Seitwärtsbewegungen.


 „Erziehungsgeschirre“?!

Erziehungsgeschirr

Für die in diversen Variationen angepriesenen „Erziehungsgeschirre“ gilt das oben schon zum Thema „Erziehungshalsbänder“ Gesagte: Sie ersetzen nicht eine sorgfältige Hundeerziehung, und sind im Zweifelsfall dem Hundewohl abträglich. Ein Prinzip beruht darauf, dass von einer Art Halsband aus zwei Dünne Schnüre unter den Achseln des Hundes durchführen, die oben im Rückensteg durch einen Ring geführt werden, und an denen die Leine befestigt ist. Wenn der Hund (oder Halter) Zug auf die Leine ausübt, ziehen sich die Schlingen unter den Achseln des Hundes zusammen, und der Hund soll aufgrund dieses für ihn unangenehmen Drucks aufhören, zu ziehen.

Dass diese Form der „Erziehung“ wohl kaum tierschutzkonform ist, muss man eigentlich nicht erwähnen. Abgesehen davon ist der nachhaltige Lerneffekt bei dieser Vorgehensweise eher gering – trägt der Hund das Geschirr nicht, wird er vermutlich auch wieder munter an der Leine zerren. Eine andere Version des „Erziehungsgeschirrs“ ähnelt in der Form eher einem Norwegergeschirr, die Leine wird aber an einem mittig auf dem Bruststeg angebrachten Ring befestigt. So kann der Hund sich nicht „ins Geschirr legen“, sondern wird bei jeder Belastung der Leine zur Seite gezogen.

Dieses Modell schränkt alleine durch seine Machart die Bewegungsfreiheit des Hundes enorm ein, durch den Befestigungspunkt der Leine wird der Hund in seiner normalen Fortbewegung weiter permanent behindert. Die Anwendung eines solchen Gerüstes mag gerechtfertigt sein, um unfallfrei mit einem starken, ungebärdigen Hund von A nach B zu gelangen, wo dem Tier das Geschirr abgenommen und artgerechter Freilauf ermöglicht wird – aber keinesfalls für ausgedehnte Leinenspaziergänge zur Befriedigung des hundetypischen Bewegungsdranges.

Weder Halsband, noch Geschirr: Das Kopfhalfter

Kopfhalfter

Die jüngste Entwicklung zur Führung des Hundes macht sich ein altbewährtes Prinzip aus der Pferdehaltung zunutze: Der Kopf ist der Körperteil, wo das Tier am wenigsten Gegenkraft aufbringen kann. Wie ein Pferdehalfter besteht daher ein Kopfhalfter aus zwei Gurten, von denen einer über den Nasenrücken, der andere hinter den Ohren des Hundes entlang verläuft. Der Nasenriemen wird unter dem Unterkiefer des Hundes durch einen Ring geführt und liegt somit nur dann eng an, wenn Zug auf der Leine ist. Kopfhalfter sollten nur mit einer Doppelleine oder einem Verbindungsstück verwendet werden, damit der Hund außer am Halfter zusätzlich noch an einem Geschirr oder Halsband gesichert ist.

Stärken und Schwächen eines Kopfhalfters

Richtig eingewöhnt und korrekt angewendet ist ein solches Kopfhalfter eine sinnvolle Maßnahme, um sehr ungebärdige oder temperamentvolle Hunde gesittet an der Leine zu führen. Ein Pluspunkt dieser Vorrichtung ist, dass bei Leinenzug die Blickrichtung des Hundes unterbrochen und wieder in Richtung des Hundehalters gelenkt wird. Bei gutem Handling kann also mit diesem Hilfsmittel eine tatsächliche Verhaltensänderung trainiert werden.

Durch die Führung an der Doppelleine beeinträchtigt das Kopfhalfter den Hund nicht in seinem Bewegungsfreiraum, solange er manierlich an der Leine läuft. Nur zum Freilauf sollte das Halfter abgenommen werden, damit der Hund es nicht bei Schnüffeln verliert oder irgendwo damit hängen bleibt. Wichtig ist, dass ein Kopfhalfter nur zur sanften Führung des Hundes geeignet ist – eine ausschließliche Befestigung der Leine am Halfter oder gar der Einsatz von Leinenrucken birgt hier eine nicht unerhebliche Verletzungsgefahr. Und: Das Laufen am Halti setzt seitens des Hundes schon eine gewisse Körperbeherrschung voraus. Für Welpen und Junghunde ist es daher noch nicht geeignet.

Fazit

Was ist denn jetzt der optimale Ausrüstungsgegenstand für den Hund? Darauf kann die einzig korrekte Antwort nur lauten: Es kommt darauf an! Wie Sie oben lesen konnten, gibt es je nach Hund verschiedene Führvorrichtungen, die eine zuverlässige und komfortable Sicherung des Hundes ermöglichen. Ein gut erzogener Hund, der den Großteil seiner Spaziergänge ohne Leine verbringen darf, eventuell dabei auch gerne schwimmen geht oder mit anderen Hunden spielt und der kaum an der Leine zieht, ist sicher mit einem passenden Halsband am besten ausgerüstet.

Läuft der Hund hingegen viel an der Schlepp- oder Roll-Leine, ist ein gutsitzendes Führgeschirr zu empfehlen.

Bei frisch übernommenen „Second-Hand-Hunden“ empfiehlt sich während der Eingewöhnung auf jeden Fall ein Sicherheitsgeschirr, idealerweise in Verbindung mit einem Halsband.

Erste Schritte in Richtung Leinenführigkeit lernt ein Welpe bei einem unerfahrenen Hundehalter vielleicht auch lieber im Geschirr. Es ist aber durchaus möglich, junge Hunde ohne traumatisierende Erfahrungen „halsbandtragend“ aufzuziehen.

Und last, but not least geht auch beim Hund inzwischen der Trend zur vielfältigen „Garderobe“, aus der dann situationsbedingt das passende „Kleidungsstück“ gewählt wird:

  • Das Alltagshalsband für normale Freilaufspaziergänge und Toberunden mit den Hundekumpels
  • Das Geschirr für Wanderungen oder Fahrradtouren und das schicke „Sonntagshalsband“ für den Stadtbummel oder den Besuch bei menschlichen Freunden.

Wichtig: Ganz unabhängig von den gewählten Ausrüstungsgegenständen kann eine angemessene Leinenführigkeit nur von Hunden erwartet werden, die sich idealerweise täglich ohne Leine artgemäß bewegen können.

Neben dem Nutzen für Psyche des Hundes ist dies auch aktive Gesundheitsvorsorge. Prof. Dr. Fischer hat nachgewiesen, dass freies Toben und Spielen essenziell für eine optimale Nährstoffversorgung im Gelenkknorpel ist und damit einen wichtigen Faktor zum Erhalt der Gelenksgesundheit darstellt.

Wie kommt das? Die Knorpelsubstanz ist nicht durchblutet, sie „wird durch Diffusion ernährt, wie ein Schwamm, den man drücken muss, bevor er sich maximal mit Wasser vollsaugt. Ein gesunder Knorpel braucht Belastung, nur dann wird er auch ernährt“, so Fischer.

Er konnte eindrucksvoll belegen, dass bei linearen Bewegungsabläufen (angeleinte Spaziergänge, Führarbeit bei Blindenhunden, Training am Fahrrad oder auf dem Laufband) nur begrenzte Anteile der Knorpelflächen beansprucht und damit auch versorgt wurden. Dies führte bei solcherart einseitig trainierten Hunden zum verfrühten Verlust an Knorpelsubstanz, damit auch zu Osteoarthrose und den damit verbundenen Symptomen wie Lahmheit und Bewegungseinschränkungen. Fischers Plädoyer zielte daher eindeutig auf Bewegungsvielfalt ab, wie sie nur beim freien Laufen und Spielen auftritt. Auch Hundesportarten wie Agility (wo etliche Lateralbewegungen und Sprünge ausgeführt werden), Hoopers oder Dog Dancing verlangen dem Hund sein komplettes Bewegungsspektrum ab und können – mit Bedacht und in Maßen betrieben – einen Beitrag zur langfristigen Gelenksgesundheit leisten.

Übersicht Geschirrarten

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Quellenangabe

1 Amy M Pauli, E. Bentley, P. Miller: „Effects of the application of neck pressure by a collar or harness on intraocular pressure in dogs“. (2006), Medicine Journal of the American Animal Hospital Association.

2 Martin S. Fischer, Karin E. Lilje: „Hunde in Bewegung“ (2011), VDH Service GmbH und Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Barbara Thiel

Über die Autorin Barbara Thiel

Barbara Thiel ist Tierärztin mit Schwerpunkt Tierernährung und arbeitet in der Produktentwicklung der Bewital petfood GbmH & Co.KG. Dort ist sie außerdem fachliche Ansprechpartnerin des BELCANDO® Experten Clubs für Züchter und Hundetrainer und leitet das Schulungswesen. Sie hält derzeit zwei Greyhounds und einen Border Terrier, ist Mitglied im Ausschuss für Zucht und Kontaktperson für die International Partnership for Dogs (IPFD) im Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH). 

Sie erreichen unsere Ernährungsexpertin Barbara Thiel ebenfalls über unser Expertenclub-Portal.

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